Seit Beginn der Geschichte digitaler Spiele erscheinen quasi jährlich Titel, die den zweiten Weltkrieg narrativ behandeln und diesen als Vorlage für bombastische Actionschlachten verwenden, ähnlich wie es von Film und Fernsehserien dargestellt wird. Zunächst sei festzuhalten, dass das keineswegs etwas Schlimmes ist oder gar etwas Verwerfliches. Im Gegenteil, es böten sich Potentiale zur Aufarbeitung und zum Beitrag an eine mahnende Erinnerung an die nationalsozialistische Barbarei, welche unzähligen Jüd*innen, Homosexuellen, Menschen mit Behinderungen, Kommunist*innen und sonstigen „Systemfeinden“ das Leben kostete, aber…
Der Bombast der vielen Spielen mit der Thematik des zweiten Weltkrieges anhaftet, die vermeintliche Leichtigkeit des Lebens am Maschinengewehr, die Effekthascherei im kulturindustriellen Antlitz des Spiels, das Ausblenden der gesellschaftlichen Verhältnisse, kann leicht den Eindruck erwecken es gäbe kein Interesse an einer realen Darstellung. Plötzlich sind dort nur noch Soldaten, keine Zivilgesellschaft die den Krieg befürwortet und/oder gestützt hat. Es entsteht der Eindruck, der Krieg sei schon immer da gewesen, nichts war davor, nichts kommt danach. Ein Ausblenden der gesellschaftlichen Verhältnisse lässt das unsägliche Grauen der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft als ein Grauen der Soldaten erscheinen, negiert dadurch zwangsläufig, wenngleich den Entwickler*innen keine Absicht unterstellt werden soll, vor allem die deutsche Geschichte und fällt so nur all zu leicht dem Geschichtsrevisionismus anheim.
Neben allen Actionspielen die sich im zweiten Weltkrieg abspielen gibt es darüber hinaus auch noch Spiele, die sich satirisch und humorvoll mit dem Nationalsozialismus auseinanderzusetzen versuchen. Hier sei das Spiel „South Park: Der Stab der Wahrheit“ (2014) genannt, welches von Grund auf dem Fäkalhumor verfallen ist und mit Nazizombies und -kühen letztlich das letzte Quäntchen Geschichte in der Ethernetleitung hängen lässt. Auch hier kann die geschichtslose, kontextfreie Darstellung ein Anlass zur Kritik sein. Humor und Nationalsozialismus funktioniert im Grunde nur dann, wenn sie in einen Kontext eingebettet ist und eben nicht ausspart was geschehen ist.
Die obenstehenden Zeilen bekommen im Kontext deutscher Veröffentlichungen mit Nazithematik einen weitaus größeren fahlen Beigeschmack. In der Regel erscheinen Spiele in Deutschland befreit von nationalsozialistischer Symbolik und gehen in vielen Bereichen noch wesentlich weiter. Natürlich muss nicht an jeder Ecke ein Hakenkreuz sichtbar sein, ebenso wenig ist es nötig, dass man beispielsweise gegen random Naziroboter oder Ähnliches kämpfen muss, solange die Spiele eben auch ohne die Symbolik funktionieren, aber…
Es kann nicht sein was nicht sein darf! – Wolfenstein 2: The New Collossus
Generell scheinen die Regeln zur Veröffentlichung von Spielen in Deutschland recht streng zu sein. Vorgaben zur Gewaltdarstellung, Sexualität und Drogenmissbrauch sind im internationalen Vergleich meist strenger. Wenngleich sich in den letzten zehn Jahren viel diesbezüglich verändert hat, bleiben Erinnerungen an grünes Blut, sich auflösende Gegner oder Kampfroboter anstatt Polizei im Gedächtnis vieler Spieler*innen. Hinzu kommt in Deutschland ein Verbot verfassungsfeindlicher Symbole nach §86 des Strafgesetzbuches – mit Blick auf die deutsche Geschichte absolut nötig und wünschenswert, könnten die Symbole doch allzu leicht zur Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts genutzt werden.
Problematisch wird es allerdings dann, wenn Spieleentwickler*innen beginnen nicht nur die Symbole, sondern gleich die ganze Geschichte und damit auch ihren Schrecken über Bord zu werfen.
Ein prominentes Beispiel im Jahr 2017 stellt das frisch erschienene Spiel „Wolfenstein 2: The New Collosus“ (2017) dar. Das Regime hat den Krieg gewonnen, die Vereinigten Staaten von Amerika unterstehen nun dem bartlosen Kanzler Heiler, welcher irgendeinen Krieg gewonnen hat. Das Spiel wurde drastisch zensiert, wirkt dabei unbeholfen im Umgang mit den Grausamkeiten der Nazizeit und Geschichtsvergessen bis ins Mark und widerspricht dabei unfreiwillig dem im Kern antifaschistischen Gedanken des oben genannten Paragraphen.
In der Originalfassung schildert Adolf Hitler kurz die Herkunft des Hauptcharakters. So ist der Protagonist des Spiels B. J. Blazkovicz der Sohn einer polnischen Jüdin die, vom eigenen Ehemann an die Nazis ausgeliefert, in ein in New Mexico gelegenes Vernichtungslager der Nazis deportiert und umgebracht wurde. Die deutsche Version vermittelt ein gänzlich anderes Bild. Hier wird von „Herr Heiler“, so der Name des bartlosen (!) Kanzlers des Regimes erklärt, B.J. sei der Sohn einer Polin und eines Verkäufers, vom Ehemann verraten und in New Mexico in Gefangenschaft verstorben. Jüd*innen, Holocaust, Vernichtungslager, Deportation, industrieller Massenmord? Gelöscht, nicht existent! Stattdessen stirbt eine polnische Frau in einer nicht näher definierten Gefangenschaft.
Freilich ist die Geschichte des Spiels, selbst mit unzensierten Nazis, nicht der Realität entsprechend. Zu überzogen wirkt es mit seinen Robo-Hunden und zugespitzten Charakteren. Zugegeben: Das Spiel funktioniert auch ohne Nazis recht gut. Allerdings entlarvt gerade ein solches Argument die Problematik recht deutlich. Muss es ohne Nazis funktionieren, oder besser, funktioniert es letztlich mit dem Wissen, dass eigentlich die Nazithematik Kern des Spiels ist?
Der dunkle Humor, die überzogene Gewalt und narrative Dramaturgie bekommen eben im Setting der Originalversion und mit Blick auf aktuelle gesellschaftliche Gegebenheiten eine deutliche politische Botschaft. Gerade durch die Überspitzung und das künstlerisch anmutende Setting. Die deutsche Version lässt dies gänzlich vermissen und verkommt so zu einem Standardshooter mit viel Knall. Letztlich verklärt die zensierte Version den Nationalsozialismus schlicht in irgendein beliebiges Regime und verschleiert seine grausame Singularität anstatt klar Position zu beziehen.
Betrachtet man die Gesetzeslage, erscheint es aus Sicht der Entwickler*innen und des Vertriebes sinnig die Nazisymbole aus dem Spiel zu nehmen. Zu groß könnten die wirtschaftlichen Verluste für den Publisher sein. Allerdings bleibt schleierhaft warum Bethesda gleich die ganze Geschichte mit all ihren Grausamkeiten über Bord wirft, dafür gibt es schlicht keinen Grund, auch keinen rechtlichen. Möglicherweise wollte man jedwede Kritik oder auch nur die geringste Möglichkeit des Scheiterns vor den Expert*innen der USK verhindern und hat so in einem Akt vorauseilenden Gehorsams den Weg des geringsten Widerstandes gewählt.
So wird aus einem eigentlich antifaschistischen Spiel mit klarer Botschaft, im Internationalen auch so beworben, eine Karikatur seiner selbst, beliebig und farblos. Eine starke Widerstandsbewegung gegen eine nicht näher definierte Diktatur anstatt ein erbitterter Kampf gegen die größten Verbrechen an der Menschheit überhaupt.
Call of Duty: World War II – Diversity in der Wehrmacht!?
COD: WW II (2017) ist ein weiteres Spiel, welches Spieler*innen mit dem zweiten Weltkrieg konfrontiert. Dieses Spiel allerdings hat den Anspruch, anders als Wolfenstein 2: The New Collossus, eine realistische Darstellung dieses Krieges zu bieten. Schnell wird jedoch deutlich, dass die deutsche Version auch hier die Symbolik der Nazizeit ausspart.
Typisch für eine Spielereihe wie Call of Duty ist die bombastische Darstellung und die kompromisslose Inszenierung von Feuergefechten, häufig überzogen und fernab des Realismus. Die Vorgängerversionen des inflationär erscheinenden, immergleichen Franchise spielen häufig in der Zukunft oder fiktiven Szenarien und erscheinen deshalb möglicherweise glaubwürdiger als der 2017 erschienene Weltkriegstitel.
WW II allerdings, auch mit dem Hintergrund des Realismusversuchs, zeigt nur in Ansätzen die Zivilbevölkerung und die hässliche Fratze des Krieges. Mal ein erhängter Franzose hier, mal ein Arbeitslager dort. Die industrielle Massenvernichtung von Menschen spart man sich hier aus, auch in der internationalen Version. Der Versuch gesellschaftliche Auswirkungen darzustellen wirkt an vielen Stellen derart deplatziert, dass sich unweigerlich die Frage aufdrängt, warum die Darstellungen überhaupt erfolgten? Zu selten, zu verschämt wirken die Versuche die Wahrheit über den deutschen Vernichtungswahn zum Ausdruck zu bringen. Der Eindruck, man hätte die zaghaften Versuche das nationalsozialistische Grauen darzustellen unternommen, um den realistischen Anspruch im Zweifel belegen zu können, drängt sich hier unweigerlich auf.
Selbstverständlich ist es für ein Actionspiel, wie CoD eines ist, nicht einfach, einen detaillierten Blick auf die gesamte Geschichte, die Gesellschaft und den gesamten Kriegsverlauf zu bieten, dennoch müsste man eigentlich erwarten, dass zumindest der Ursache des Krieges eine gewisse Bedeutung beigemessen wird. Was man jedoch nicht nur erwarten sollte: Eine Behandlung der Gräueltaten der Nazis an der Menschheit. Dies ist es letztlich was das Spiel in der Einzelspiel*innenkampagne unglaubwürdig erscheinen lässt. Das Spiel spart sich Erklärungen und die Nazis werden so zur reinen Gegnerhorde ohne wirklichen Hintergrund. In der gesamten Kampagne wird lediglich ein einziges mal von jüdischen Menschen gesprochen, mehr scheint für eine packende Heldengeschichte nicht notwendig. Warum sollten Spielende auch wissen, warum ihr Squad nun Europa befreien sollte?
Vollkommen Absurd wird es allerdings erst wenn die Kampagne abgeschlossen ist. Man tritt nun in den sogenannten Multiplayer ein. Natürlich kämpfen auch hier Nazis gegen Alliierte in einem erbitterten Kampf. Werde ich erschossen stehe ich wieder auf, wie eben in jedem Multiplayershooter. Das ist im Grunde auch nicht sonderlich problematisch, Standard Shooterkost eben, gerade im Fall von Call of Duty schon gefühlt 1000 mal gesehen. Das Spiel ist auch nicht der erste Shooter im zweiten Weltkrieg, da gab es etliche davor. Bei allen stand der Spielspaß an erster Stelle. Was aber ist bei Call of Duty: WW II anders? Kurz gesagt: Diversität!
Das Spiel ermöglicht es mir letztlich meine Spielfigur recht frei zu gestalten. Das schließt auch mit ein, dass asiatische Frauen oder Menschen mit dunkler Hautfarbe in Wehrmachtskluft in den Kampf ziehen können.
Das dies so nicht der Wahrheit entspricht bedarf keiner weiteren Erklärung. Natürlich ist Diversität in digitalen Spielen nichts, dass generell zu kritisieren wäre, in diesem Fall sollte sie aber mehr als nur kontrovers diskutiert werden, stellt sie doch hier eine deutliche Abweichung von historischen Ereignissen dar und verharmlost so das während des Nationalsozialismus vorherrschend, mehrheitsdeutsche Menschenbild vom überlegenen Arier als „Herrenrasse“. Gerade in der heutigen vorherrschenden politischen Lage, mit Erstarken von neonazistischen und rechtspopulistischen Gruppierungen in der ganzen Welt ein fatales Signal und im schlimmsten Fall eine Verharmlosung des nationalsozialistischen Terrors.
Alles was Recht ist
Letztlich muss natürlich die Frage gestellt werden, wie es zu einer derart geschichtsverdrehenden Zensur bei den Spielerherstellern und Vertrieben kommen kann. Ein Blick auf die rechtlichen Gegebenheiten ist an dieser Stelle sinnvoll.
Ein anderes, seltener in der Kritik stehendes Medium ist der klassische Spielfilm, welcher in der Regel zur Unterhaltung dient. Interessanterweise tauchen in populären Filmproduktionen von „Indiana Jones“ über „Inglorious Basterds“ bis hin zur Brachialsatire „Iron Sky“ oder gar „Kung Fury“ das Hakenkreuz auf.
Vor nicht ganz 20 Jahren entschied das OLG Frankfurt über den Urvater des Genres der First-Person-Shooter Wolfenstein 3D. Der Shooter fand damals hauptsächlich über die Weitergabe von Disketten oder in Internetforen Verbreitung. Das Spiel wurde bereits 1994 indiziert. Hier wird allerdings auch deutlich, dass es sich bei der Indizierung nicht etwa um eine Indizierung aufgrund der Symbolik handelt. Die BpjM hebt hier deutlich hervor, dass es sich um eine Indizierung aufgrund der erhöhten Gewaltdarstellung handelte.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt das bereits beschlagnahmte Spiel erneut einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen kam erst 1998 und basierte auf einer Prüfung ob die Tatbestandsmerkmale des Paragraphen 86 des Strafgesetzbuches gegeben sind.
Im Urteil heißt es:
„Vielmehr gebietet es der Schutzzweck des § 86a StGB, dass in Computerspielen keine Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gezeigt werden. […] Wäre eine derartige Verwendung von verbotenen Kennzeichen in Computerspielen erlaubt, dann wäre es kaum noch möglich, einer Entwicklung zu ihrer zunehmenden Verwendung in der Öffentlichkeit entgegenzuwirken, was der Zielrichtung des § 86a StGB zuwiderlaufen würde.“[1]
Auffällig ist hier, dass das OLG Frankfurt zwar davon ausgeht, dass eine Verbreitung der Symbolik schwer zu unterbinden beziehungsweise entgegenzuwirken wäre, allerdings gibt es keine Aussagen bezüglich Kunstfreiheit oder zur möglichen sozial adäquaten Verwendung der Symbole nach §86 Abs. 3 StGB. Grundsätzlich bedeutet dies, dass das Verwenden einschlägiger Symbolik in Dokumentationen, Bildungsmaterial oder ähnlichen Veröffentlichungen nicht unter Strafe gestellt wird.
Im Wortlaut sieht das Gesetz vor, dass das Medium, welchem es erlaubt ist verfassungsfeindliche Symbolik darzustellen,
„der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient” (§86 StGB).
Es zeigt sich, dass sowohl der gemeine Spielfilm, als auch das digitale Spiel nur unter der Flagge der Kunstfreiheit oder eben „ähnlichen Zwecken“ die Möglichkeit eingeräumt werden kann auch Nazisymbole zu zeigen. Das OLG Frankfurt hat allerdings weder den Kunstvorbehalt, noch die Sozialadäquanz im Zusammenhang mit Wolfenstein 3D geprüft. Häufig wird, auch in einschlägigen Fachzeitschriften zum Thema Games, behauptet, Hakenkreuze seien in Filmen in Ordnung, da es sich um Kunst handele, bei digitalen Spielen sei dies wiederum nicht der Fall. Das ist so allerdings nicht richtig, es gibt bis dato kein Gerichtsurteil, welches diesen Sachverhalt zu bestätigen vermag.
So wird letztlich ein veraltetes Urteil eines Oberlandesgerichtes zum Anlass genommen Spiele schon im Vornherein Herstellerseitig zu zensieren, umso einem möglichen Rechtsstreit aus dem Weg zu gehen. Rein rechtlich betrachtet besteht dazu allerdings erstmal kein Grund.
Fazit
Bei Spielfilmen kann also offensichtlich von einer erhöhten gesellschaftlichen Akzeptanz ausgegangen werden, welche dem digitalen Spiel bislang verwehrt zu werden scheint. Mit Blick auf den Entwicklungsstand der Spiele in den frühen neunziger Jahren und der zu dieser Zeit deutlich geringeren Akzeptanz digitaler Spiele kann davon ausgegangen werden, dass die Gerichte heute ein anderes Urteil fällen würden. Zumal natürlich noch hinzukommt, dass allein durch den technischen Fortschritt heute eine ganz andere Produktqualität in Spielen gewährleistet ist. Dies zeigt sich am deutlichsten in den filmisch inszenierten Zwischensequenzen, selbst in Spielen mit eher niedrigerem Budget. Ähnlich wie aber auch Spielfilme sind Spiele mittlerweile ein Sammelsurium verschiedener Künste und Stilrichtungen. Einfluss finden hier unter anderem Regie, Schauspiel, Kostümbildner in Form von 3D Design, Musikkompositionen, Sounddesign, Mediendesign und kreative Schreibprozesse um nur einmal die Wesentlichen genannt zu haben. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt um das Thema digitale Spiele nicht mehr herum, was ihre Rede auf der Gamescom 2017 unlängst verdeutlicht hat. Auch wenn hier eher der Fokus auf wirtschaftlichen Aspekten der Spieleindustrie liegt, lässt sich dennoch festhalten, dass digitale Spiele fest in der Alltagskultur verankert sind. Auch die USK, die von vielen leider immer noch als die zensierende Instanz wahrgenommen wird, attestiert in ihrer Präambel:
„Heute sind Computerspiele ein selbstverständlicher Teil unserer Alltagskultur geworden. Der Stellenwert von Computerspielen im Alltag von Kindern und Jugendlichen nimmt seit Jahren stetig zu. Im Vergleich zu anderen Medien wird immer mehr Zeit in das Erlebnisangebot digitales Spielen auf dem PC, Konsolen oder mobilen Plattformen investiert.“[2]
Im Grunde geht es eben auch nicht darum den Nationalsozialismus und seine Grausamkeiten zu glorifizieren oder gar um seiner Ideologie einen Aufschwung zu gewähren. Nahezu alle Spiele mit Handlung im zweiten Weltkrieg oder einer Handlung mit Nazis in einer alternativen Realität zeigen deutlich, dass die Darstellung einer Dramaturgie im Spielgeschehen dient und, auch wenn häufig nur rudimentär, eine antifaschistische Botschaft Gehör finden soll.
Letztlich ist es ein Gerücht, dass es Spielen generell Verboten ist die Symbole des Nationalsozialismus zu zeigen. Wie oben bereits beschrieben gibt es dazu keine aktuellen Urteile, die alle wichtigen Aspekte, auch die neuesten Entwicklungen der Branche, mit einbeziehen. Es handelt sich bei Zensur von Symbolen und der Negation der grausamen deutschen Vergangenheit um reine Selbstzensur der Publisher aus Angst vor Gerichtsverhandlungen und wirtschaftlichem Verlust. Dieses Problem ließe sich lösen, es müsste sich nur mal jemand trauen!
Ausblick
Im November 2017 wurden die in diesem Essay behandelten Spiele in vielen Medien rezipiert. Häufig berichten Medien, welche nicht dem „Gamingsektor“ zuzuschreiben sind, eher distanziert über dieses eher neue Medium. Dieses Mal jedoch scheint es anders.
Es scheint ein größeres Bewusstsein zu entstehen, dass man die deutsche Geschichte in ihrer Singularität nicht totschweigen sollte, auch nicht unter dem Vorbehalt des Jugendschutzes. Spiele wie Wolfenstein 2: The New Collossus oder Call of Duty: WW II sind Spiele, die schon aufgrund ihres hohen Gewaltanteils von der USK eine Einstufung ab 18 Jahren erhalten. Die umfassenden Kriterien dieser Einschätzungen der USK sind leicht im oben zitierten Dokument online nachlesbar.
Die Wahrheit der deutschen Geschichte kann erwachsenen Spieler*innen nicht nur zugemutet werden, sie muss es sogar. Gerade das erstarken der politischen Rechten sollte auch größere Publisher von Spielen aufhorchen lassen. Mit der jetzt entflammten Debatte um ebendieses Thema und die breite mediale Berichterstattung, wenngleich sie auch nicht immer zu hundert Prozent reflektiert und korrekt daherkommt, keimt Hoffnung auf eine andere Betrachtungsweise von ebensolchen Spielen zu erreichen.
In Zukunft findet die sogenannte Sozialadäquanzklausel des Gesetzes auch bei digitalen Spielen Anwendung. Das erste Spiel, Attentat 1942, ist in Deutschland bereits unzensiert erschienen und hat eine entsprechende Altersfreigabe ab 12 Jahren. Als Freibrief verfassungsfeindliche Symbole darzustellen ist dies allerdings nicht zu werten. Oben genannter Klausel folgend, überprüft die USK die soziale Adäquanz und ordnet entsprechende Spiele dahingehend im Einzelfall ein. Der Multiplayershooter Post Scriptum erhält von der USK keine Freigabe aufgrund der Symbolik. Leider gibt es dazu momentan keinen einsehbaren Prüfbericht, es ist aber davon auszugehen, dass eine Entscheidung auf die Art des Spiels zurückzuführen ist. Ein reiner Multiplayertitel ordnet in der Regel die Symbolik eher mäßig in einen Kontext ein.
Das Thema bleibt ein schwieriges und für die Pädagogik relevantes. Vermittlung von Geschichte und Wahrung einer würdigen Erinnerungskultur ist durch Projekte mit Unterstützung digitaler Spiele möglich und, lebensweltlich betrachtet, sinnvoll.
Quellenverzeichnis
Hilgert Felix (2009), Sind Computerspiele Kunst?, http://spielerecht.de/sind-computerspiele-kunst/ (abgerufen: 07.10.2017)
USK (2011), Leitkriterien der USK für die jugendschutzrechtliche Bewertung von Computer- und Videospielen, Berlin, http://www.usk.de/fileadmin/documents/2011-06-27_Leitkriterien_USK.pdf (abgerufen: 08.10.2017)
Spieleverzeichnis
Call of Duty: WW II. Santa Monica, USA: Activision, 2017. Computerspiel.
South Park: Der Stab der Wahrheit. Rennes, Frankreich: Ubisoft, 2014. Computerspiel.
Wolfenstein 3D. Richardson, USA: ID Software, 1992. Computerspiel.
Wolfenstein 2: The New Collossus. Rockville, USA: Bethesda Softworks, 2017. Computerspiel.
[1] Zit. n. Hilgert, 2009 http://spielerecht.de/sind-computerspiele-kunst/
[2] USK, 2011