Das Spiel braucht Regeln.

Damit ein Spiel funktioniert, unterliegt es zwingenden Regeln. Diese geben der Aktivität einen Rahmen und befähigen die Teilnehmer dazu, Selbst- und Fremderfahrungen zu machen. Aufgrund dieser Regeln ist ein Spiel reproduzierbar und lässt sich in seine Bestandteile zerlegen. Entsprechend ist es begrenzt. Zeitlich, räumlich, inhaltlich. Caillois weist deutlich darauf hin, dass ein grundlegendes Merkmal von Spiel die Freude und Freiwilligkeit ist und dass das Spiel dazu dient, Raum und Zeit zu entfliehen. „Gespielt wird nur da, wo die Spieler Lust haben zu spielen, […] dem gewöhnlichen Leben zu entfliehen […] [und] sagen können: Ich spiele nicht mehr“ (Caillois 2017, S. 26). Regeln formen das Spiel und geben ihm seinen Charakter. „Das Spiel fordert unbedingte Ordnung“ (Huizinga 2017, S. 19). Diese Ordnung wird durch die Regeln eines jeden Spieles hergestellt, sie sind dabei unanfechtbar und während des Spiels nicht veränderbar. Werden die Regeln gebrochen, funktioniert das Spiel nicht mehr und die Sequenz der Erfahrung ist verletzt.

Weiterführend dienen die Spielregeln dazu, den ästhetischen Anspruch eines Spiels zu gewährleisten. Damit ein Spiel erblühen kann und einen ästhetischen Ausdruck vermittelt, benötigt es Ordnung. Ohne diese kann Spiel nicht funktionieren und zerfällt. Die Schönheit des Spiels verwelkt und verliert damit ein prägendes Kennzeichen, welches die Spielenden fesselt und zum Verweilen im  Medium einlädt.

Bedingt durch die Spielregeln ist es dem Spielenden möglich, in den Zustand des Flows zu verfallen und sich auf eine Reise zwischen Anspannung und Entspannung zu begeben. Dies führt zu einem produktiven Zustand vom Glück (Huizinga 2017, S. 18–20).

Menschen spielen in allen Lebensaltern und entwickeln ihr persönliches Spiel im Laufe ihres Lebens weiter. Ein Spiel kann dabei behilflich sein, die persönliche Entwicklung voran zu bringen und sich zu entfalten. Die bereits im Kindesalter erlangten Spielvarianten werden im Laufe der Lebensabschnitte professionalisiert und fließen in den alltäglichen Gebrauch ein. Das Spiel wandelt sich vom Kinderspiel zum Erwachsenenspiel und begibt sich zeitweilig in den Bereich der Geheimnisse. Geheimes Spielen setzt dem Spiel eine Krone auf. Diese Entwicklung gelingt, da Spiel „als Moment des Sich-Entfernens aus dem genormten Alltag und aus einer gesellschaftlich zunehmend regulierten Umwelt gesehen“ (Thimm 2009, S. 9) wird.

Das Spiel stellt sich vermittelnd zwischen Spaß und Ernst. Es dient dazu, die eigenen Minderwertigkeitskomplexe zu verwandeln und in einer anders dimensionierten Welt auszuleben. Zwischen Ernst und Spaß entsteht ein schwebender Bereich, welcher in Vermittlung tritt und Identitätskonstruktion zulässt. Wer bin ich im Ernst und wer bin ich im Spiel? Hier entsteht ein transformativer Prozess des Unbewussten (Huizinga 2017, S. 16–17). Dieser Prozess führt zu einem Weg der Identitätsbildung und zeigt  Entwicklungsperspektiven auf. Diese befinden sich im Flow – wenn es einen Einklang zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gibt, durch welchen Spannungen in der eigenen Identität auf- oder abgebaut werden. Die Identität bleibt unverändert, solange sie nicht in einem Spannungsfeld steht und es keine Irritationen gibt. Es ist die Aufgabe der Identitätsbildung, „Spannungen zu ertragen und immer wiederkehrende Krisen zu meistern“ (Keupp 2013, S. 196). Zu beachten ist jedoch, dass der Mensch ein Spiel wählt, um der Realität zu entfliehen und in ihm Spaß und Freude ohne Zwang zu erleben sucht. Es wird gespielt, um zu genießen und in der `Quasi-Realität` zu verweilen. Die persönliche Weiterbildung steht dabei nicht im Vordergrund, sondern das reine Vergnügen. Das Vergnügen des Seins, der Lust und der Freude (Ackermann 2011, S. 26–27).

Literatur:

Ackermann, Judith (2011): Gemeinschaftliches Computerspielen auf LAN-Partys. Kommunikation, Medienaneignung, Gruppendynamiken. Berlin: Lit-Verl. (Bonner Beiträge zur Onlineforschung, 1).

Caillois, Roger (2017): Die Spiele und die Menschen. Maske und Rausch. Durchgesehene und erweiterte Ausgabe. Berlin: MSB Matthes & Seitz Berlin Verlagsgesellschaft.

Huizinga, Johan (2017): Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel. Unter Mitarbeit von Andreas Flitner. 25. Auflage. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag (rororo Rowohlts Enzyklopädie, 55435).

Keupp, Heiner (2013): Identitätskonstruktionen. Das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne. Orig.-Ausg., 5. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verl. (Rowohlts Enzyklopädie, 55634).

Thimm, Caja (2009): Spiel – Gesellschaft – Medien: Perspektiven auf ein vielfältiges Forschungsfeld. In: Caja Thimm (Hg.): Das Spiel: Muster und Metapher der Mediengesellschaft. 1. Aufl., S. 7–13.

Photo by Lea Böhm on Unsplash

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